Mit freundlicher Genehmigung veröffentlichen wir hier persönliche Gedanken von Landesjugendpastorin Ragna Miller zu Friedrich Merz Aussagen am14.10.25:
Unser Bundeskanzler sagt:
Menschen mit Migrationshintergrund stören das Stadtbild. Unser Bundeskanzler erklärt Menschen mit Migrationshintergrund zum Problem. Einfach so. Nicht weil sie laut sind. Nicht weil sie Müll liegen lassen. Nicht weil sie falsch parken. Einfach weil sie da sind. Weil sie anders aussehen. Weil sie nicht ins Raster passen. Welches Raster eigentlich?
Ich hab dann in den Spiegel geschaut.
Mein Gesicht: deutsch. Ziemlich kartoffelig. Blass. Müde. Am Montagmorgen nicht gerade ein Gewinn fürs Stadtbild. Aber: ich hab die richtige Hautfarbe. Die richtige Sprache. Den richtigen Pass. Ich bin kein Problem im Stadtbild. Obwohl ich manchmal laut bin. Müll liegen lasse. Und falsch parke.
Jetzt sagen viele: Er hat das nicht so gemeint. Aber unser Bundeskanzler setzt noch einen drauf. Sagt: „Fragen Sie mal Ihre Töchter.“ „Ich muss gar nichts zurücknehmen.“ Und Herr Dobrindt springt ihm zur Seite: „Illegale Migration verändert das Erscheinungsbild unserer Städte. Das entspricht dem normalen Empfinden vieler Menschen. Ich halte es auch für eine Tatsache.“ Das ist ein perfider sprachlicher Trick.
Man erklärt Rassismus zum „normalen Empfinden“. Verschiebt den Maßstab. Wer Angst vor Fremden hat, wird zum Maß der Dinge. Wer widerspricht, gilt als naiv. Als jemand, der die Augen verschließt. So wird Sprache zur Waffe. Leise und tödlich.
Ich habe meine Töchter gefragt.
Sie sagen, sie haben Angst. Nicht vor Menschen mit Migrationshintergrund. Sondern vor den Aussagen unseres Bundeskanzlers. Sie sagen – und das ist eine Tatsache:
Ich habe Angst, dass unser Bundeskanzler ein Rassist ist.
Ich will ehrlich sein: Ich sortiere auch. Manchmal. Innerlich. Viel zu oft. „Der sieht fremd aus.“ „Die spricht komisch.“ „Die ticken ganz anders als ich…“
Ich bin nicht stolz drauf. Auf diese Gedanken. Aber ich arbeite an ihnen. Versuche Tag für Tag, den Menschen zu sehen. Nicht die Hautfarbe. Nicht die Herkunft. Nicht das Klischee.
Grundausstattung
In der Bibel steht im Galaterbrief: „Hier ist nicht jüdisch oder griechisch, hier ist nicht versklavt oder frei, hier ist nicht männlich oder weiblich; denn ihr alle seid eins in Christus Jesus.“ (Galater 3,28)
Ein radikaler Satz. Ihr seid alle eins in Christus Jesus. Nicht, weil wir das so wollen. Nicht, weil wir das beschlossen haben. Es ist so. Gott hat das so gemacht.
In Jesus Christus sind wir alle eins.
Eins. Nicht besser. Nicht schlechter.
Nicht „der ist mir aber fremd“.
Nein: Eins.
Wenn wir sagen, wir sind Christ*innen, dann gehört das dazu.
Das ist kein Extra.
Kein Bonus.
Kein „wenn ich gut drauf bin“.
Das kommt nicht nach „Du bist ein geliebtes Kind Gottes“.
Nein – das ist die Grundausstattung. Ihr seid alle eins in Christus.
Wer „christliches Abendland“ sagt und dann andere ausgrenzt, hat Christus nicht verstanden. Wer behauptet Migration zerstöre unsere Werte, hat die Bibel nicht gelesen. Die ersten Christ*innen waren Migranten. Geflüchtete. Menschen auf der Straße. Das Evangelium selbst ist immer unterwegs.
„Ihr seid alle eins in Christus.“
Ja – das ist anstrengend. Denn dann kommen die Aufgaben. Aus der Grundausstattung muss die Grundhaltung werden. Dann gilt es hinzuschauen. Zuzuhören. Dann müssen wir aufstehen, wenn jemand von „Problemen im Stadtbild“ spricht. Dann müssen wir uns selbst hinterfragen.
Und es gibt kein Zurück. Kein „früher war’s einfacher“. Kein „ich seh das anders“. „Ihr seid alle eins“ – ist die Grundausstattung.
Gott sieht Menschen. Nicht Pässe. Nicht Hautfarben. Nicht Stadtbilder.
Jesus hat Menschen gerettet. Nicht Nationen. Nicht Völker.
Ich hoffe auf eine Stadt, die bunt ist. An den Wänden. In den Herzen. Und in den Hirnen. Da braucht es auch ganz dringend Farben.
Ich hoffe darauf, dass wir lernen, nicht auf Herkunft zu schauen. Sondern auf Gemeinschaft.
„Hier ist nicht jüdisch oder griechisch, hier ist nicht versklavt oder frei, hier ist nicht männlich oder weiblich; hier ist nicht von hier oder von dort, nicht mit Abi oder ohne Abschluss; nicht mit Erbe und ohne Erbe; nicht mit deutschem Pass oder ohne. Ihr alle seid eins in Christus Jesus.“
Segen
Segen Gott segne dich – mit Unruhe,
wenn andere zum Problem erklärt werden.
Mit Mut, wenn Schweigen bequemer wäre.
Mit offenen Augen, die nicht wegsehen,
wenn Menschen weggeschoben werden.
Mit Händen, die nicht in den Taschen bleiben.
Mit Füßen, die nicht stillstehen.
Gott segne dich – nicht damit du dich besser fühlst,
sondern damit du besser handelst.
Amen.
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